Jaroslav Konvalinka
Lokomotivführer und führender Organisator der Flucht mit dem Personenzug
Jaroslav Konvalinka wurde am 3. März 1911 im südböhmischen Písek geboren. Er wuchs in einer Eisenbahner-Familie auf. Schon sein Vater arbeitete bei der Eisenbahn und sein um 13 Jahre älterer Bruder Josef war Fahrdienstleiter. Jaroslav Konvalinkas Wesen wird als ruhig, ernst und hilfsbereit beschrieben.
Da der Vater chronisch krank war, konnte Jaroslav keine höhere Schule besuchen. Er machte eine Schlosserlehre, hielt jedoch an seinem Ziel fest, später einmal Lokomotivführer zu werden. Nach der Gesellenprüfung und einem Praxisjahr besuchte er eine zweijährige Industrieschule in Budweis / České Budějovice. 1934 leistete Jaroslav Konvalinka den Grundwehrdienst ab, danach arbeitete er bei der Maschinenfabrik Škoda in Pilsen / Plzeň. Am 1. Juni 1937 kam Konvalinka seinem Traum, Lokomotivführer zu werden, einen großen Schritt näher. Er bekam eine Stelle als Schlosser bei den Werkstätten der Tschechoslowakischen Staatsbahnen in Aussig an der Elbe / Ústí nad Labem. Im Zuge der turnusmäßigen Stellenwechsel innerhalb der Bahn wurde Konvalinka unter anderem nach Oberleutensdorf / Horní Litvínov versetzt; dort durfte er zum ersten Mal eine Lokomotive führen. Ende 1938 heiratete Jaroslav Konvalinka. Im Januar 1942 wurde dem Ehepaar Konvalinka eine Tochter geboren.
Jaroslav Konvalinkas Arbeitsplatz bei den Tschechoslowakischen Staatsbahnen war nun in Budweis. Als Lokomotivführer musste er so manche grausamen Kriegstaten mit ansehen.
Einmal half Jaroslav Konvalinka einem Tschechen, den Nazis zu entrinnen. Der Verfolgte suchte im Zug Unterschlupf, und der Lokomotivführer setzte den Zug rasch in Bewegung.
Am 8. Oktober 1945 wurde Jaroslav Konvalinka in das durch Kriegsschäden und die Vertreibung der deutschen Einwohner stark gezeichnete Eger / Cheb versetzt. Im Januar 1946 übersiedelte seine Frau mit der kleinen Tochter sowie Konvalinkas verwitwete Mutter ebenfalls nach Eger. Das Ehepaar Konvalinka hatte inzwischen als zweites Kind einen Sohn bekommen.
Im Dienst lernte Konvalinka den Fahrdienstleiter Karel Truksa kennen, der seit Kriegsende auf dem Bahnhof Asch arbeitete. Die beiden Bahnbediensteten aus dem Landesinneren verband ihre distanzierte Haltung zur kommunistischen Partei, die ihren Führungsanspruch in allen Bereichen des öffentlichen Lebens radikal geltend machte. Das Unrecht und die Gewalt, die sie tagtäglich mit ansehen mussten, empörten und erschütterten Konvalinka und Truksa. Sie halfen Menschen, über die Westgrenze zu flüchten. 1950 stellten sie sich in den Dienst einer im Untergrund agierenden antikommunistischen Widerstandsgruppe. Anfang September 1951 wurde ein Haftbefehl gegen Jaroslav Konvalinka erlassen.
Kurz darauf, am 11. September 1951, glückte Jaroslav Konvalinka die Flucht mit dem von ihm und Truksa bei Asch über die Grenze nach Selb-Plößberg umgeleiteten Personenzug. Konvalinkas Frau Růžena saß mit der neunjährigen Tochter und dem sechsjährigen Sohn ebenfalls im Fluchtzug. Die ganze Familie ging zusammen ins Exil.
Die Familie Konvalinka erhielt – ebenso wie die Familie Truksa - Asyl in den Vereinigten Staaten. Am 17. November 1951 flogen die beiden Familien vom Flughafen Frankfurt nach New York ab. Auf dem internationalen Flughafen Idlewild hieß sie der Präsident der Firma Lionel Corp., Lawrence Cowen, persönlich willkommen und sagte ihnen einen Arbeitsplatz in seiner Fabrik zu. Die Firma Lionel stellt Modellzüge und andere Spielzeug-Fahrzeuge her, es gibt sie noch heute. In den Vereinigten Staaten wurden Truksa und Konvalinka einen Monat lang als Helden der Freiheit gefeiert. Sie machten eine Propagandatour durch acht Millionenstädte und wurden überall mit Ehren empfangen. Die Stationen ihrer Tour waren New York, Washington, Boston, Philadelphia, Pittsburgh, Cleveland, Chicago und Detroit. Auf ihrer Reise besichtigten sie Sehenswürdigkeiten und Industrieunternehmen, gaben Interviews bei Rundfunk- und Fernsehstationen und traten auf Veranstaltungen tschechoslowakischer Landsleute auf.
Danach verlieren sich die Spuren der Familien Truksa und Konvalinka. Über ihr weiteres Schicksal ist nur wenig bekannt.
1990 reisten Jaroslav Konvalinka und seine Frau Růžena zum ersten Mal seit 1951 in die Tschechoslowakei. Bei diesem Heimatbesuch erlitt Frau Konvalinková einen Infarkt und verstarb anschließend im Krankenhaus Teplitz-Schönau / Teplice. Jaroslav Konvalinka kehrte mit gebrochenem Herzen nach Amerika zurück.
[Truksa und Konvalinka, 1951]