Reflexionen Karel Rumls in Selb-Plößberg
„Es war ein schöner, klarer Spätsommertag. Solche Tage weckten einst Sehnsucht nach der Ferne bei mir, doch an diesem Tag sehnte ich mich nur danach, allein zu sein. Um die Ecke des Bahnhofsgebäudes fand ich einen kleinen Garten, ich setzte mich auf eine Bank im Schatten einer Birke und vollzog den ganzen, bewegten Tag noch einmal in Gedanken nach. Statt Freude und Erleichterung darüber, dass ich am Leben und in Freiheit war, empfand ich einen unsäglichen Schmerz und ein unaussprechliches Bedauern. Entgegen meinen Erwartungen war uns alles geglückt. Niemand war in letzter Minute verhaftet worden, die Bremsen hatten sich nicht verkeilt, das Gleis in die Freiheit war nicht blockiert gewesen, im Zug war es zu keiner Schießerei gekommen. Meine Mama wird heute Abend etwas erleichtert sein, aber die von mir erträumte baldige Rückkehr in ein freies Heimatland erschien mir von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs plötzlich wie ein hoffnungsloser Traum. Ich empfand ein bitteres Bedauern darüber, dass Lada nicht neben mir in diesem stillen Gärtchen saß.“
[Ruml, 2001, S. 119 f.].