Erinnerungen an die Begegnung mit Menschen in Selb-Plößberg
„Auf dem Bahnhof von Selb kamen ehemalige Einwohner von Asch zu uns und grüßten uns“, entsann sich die Zeitzeugin Květoslava Kozlová, die als fünfzehnjährige Gymnasiastin im Zug mitgefahren war. [4, 202]
Bei der um einige Jahre älteren Lehrerin Gerta Adler-Fröhlich schwang die angespannte Stimmung im Gedächtnis nach, die auf dem Bahnhofsgelände geherrscht hatte:
„Innerhalb kurzer Zeit liefen eine Menge Neugieriger zusammen, was auch nicht verwunderlich war. Ihre Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Einige von ihnen - offenbar abgeschobene Sudetendeutsche, drohten uns und schrien aufgebracht durcheinander; auch das hatte seine Logik. – ‚Ihr reist wie vornehme Herrschaften an, und uns habt ihr vertrieben!‘ – ‚Gestern haben sie an der Grenze meinen Bruder erschossen, der zu seiner Familie zurückkehren wollte!‘ Um aufrichtig zu sein, auch ich hegte keine besonders freundschaftlichen Gefühle für diese Menschen. Die erschütternden Kriegserinnerungen hatten tiefe Wurzeln geschlagen, ich trug sie in mir, und es wäre auch gar nicht sinnvoll gewesen zu versuchen, sie in irgendeiner Weise auszumerzen. Eine Ironie des Schicksals bestand darin, dass ich als Kind zuerst Deutsch und erst später Tschechisch gelernt hatte. Deshalb verstand ich im Unterschied zu den anderen Fahrgästen des Zuges alles bestens.“ [4, 197]